IMI-Standpunkt 2022/045

Neues zum Zielbild Heer

Der Totalumbau der Bundeswehr geht weiter

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 28. Oktober 2022

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Im Jahr 2018 wurde mit dem Fähigkeitsprofil ein Totalumbau der Bundeswehr angestoßen, in dessen Zentrum der Aufbau neuer Großverbände (Divisionen) mit dem vorrangigen Ziel steht, künftig „besser“ für mögliche militärische Auseinandersetzungen mit Russland gerüstet zu sein. Ursprünglich sollte dabei bis zum Jahr 2027 eine schwere kaltstartfähige, also unmittelbar einsetzbare Division (~15-20.000 Soldat*innen) in die NATO eingespeist werden, bis 2032 wurden drei solche Großverbände angepeilt (siehe IMI-Analyse 2018/13). Dieser Zeitplan wurde im Sommer einkassiert und noch einmal deutlich nach vorne verlegt, im August wurden dann Details zur künftigen Struktur der Bundeswehr öffentlich, die nun mit weiteren Informationen durch Heeresinspekteur Alfons Mais ergänzt wurden.

NATO-Beschlüsse – Deutsche Zusagen

Ende Im Juni 2022 beschoss die NATO auf ihrem Gipfeltreffen in Madrid ein neues Streitkräftemodell: bis Ende 2024 will das Bündnis in der Lage sein, 100.000 Soldat*innen innerhalb von zehn Tagen nach Osteuropa verlegen zu können. Ihnen sollen bis Tag 30 nach Entscheidung weitere 200.000 und bis Tag 180 noch einmal 500.000 folgen können (siehe IMI-Analyse 2022/034).

Auf dem NATO-Gipfel wurde ebenfalls angekündigt, die bisher „Enhanced Forward Presence“ bezeichnete dauerhafte Präsenz mit je einem NATO-Bataillon (~1.000-1.500 Soldat*innen) in den drei baltischen Ländern und in Polen deutlich auszubauen. Nun sollen vier weitere Länder (Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien) mit einer dauerhaften NATO-Präsenz beehrt werden. Außerdem soll aus der „Enhanced Forward Presence“ eine „Intensified Forward Presence“ (IfP) werden, also zumindest in einigen Ländern die Bataillonsstärke auf Brigadegröße (~5.000 Soldat*innen) angehoben werden (siehe IMI-Analyse 2022/20).

Schon zuvor hatte Deutschland angekündigt, für das von ihr geführte Litauen-Bataillon zumindest die Führungsstrukturen für eine „robuste Kampfbrigade” dorthin verlegen zu wollen (siehe IMI-Analyse 2022/30). Im Zusammenhang mit dem neuen Streitkräftemodell sagte Deutschland darüber hinaus umgehend zu, den Startpunkt für die ursprünglich auf 2027 angepeilte erste Division um zwei Jahre vorzuverlegen. Ferner werde man ab 2025 auch 65 Kampfjets (plus Transportflieger) sowie 20 Kriegsschiffen beizusteuern.

„Zielbild Einsatzkräfte Heer“

Erste Details, wie sich dies auf die Struktur der Bundeswehr auswirken dürfte, drangen dann im August mit dem „Zielbild Einsatzkräfte Heer“ an die Öffentlichkeit (siehe IMI-Analyse 2022/45). Alle drei Divisionen sollen künftig aus drei Brigaden bestehen (plus jeweils ergänzend einer niederländischen Brigade). Dabei existieren drei „Brigadekategorien“: Schwer (hohe Kampfkraft, geringes Tempo), mittel (mittlere Kampfkraft/Tempo) und leicht (geringe Kampfkraft, hohes Tempo).

Die Division 2025 soll von der Panzerdivision 10 (Veitshöchheim) geführt werden: Ihr zugeordnet sind die schwere Panzerbrigade 12 (Cham), die schwere Panzergrenadierbrigade 37 (Frankenberg) sowie die mittlere Deutsch-französische Brigade (Müllheim). Die ebenfalls nach vorn gezogene zweite Division 2027 soll von der 1. Panzerdivision (Oldenburg) angeführt werden. Ihr sind die schwere Panzerlehrbrigade 9 (Munster), die mittlere Panzerbrigade 21 (Augustdorf) und die ebenfalls wieder mittlere Panzergrenadierbrigade 41 (Neubrandenburg) zugeordnet. Keinen offiziellen Startpunkt hat bislang der dritte Großverband unter Leitung der Division Schnelle Kräfte (Stadtallendorf), der ausschließlich leichte Brigaden zugeordnet sind (Gebirgsjägerbrigade 23 (Bad Reichenhall), Luftlandebrigade 1 (Saarlouis), Fallschirmjägerregiment 31 (Seedorf)) (siehe IMI-Analyse 2022/45).

Wie sich nun allerdings in einem aktuellen Interview im Hardthöhenkurier mit Heeresinspekteur Alfons Mais herausstellte, wurde auch dieser Fahrplan nun augenscheinlich bereits wieder in Teilen über den Haufen geworfen.

Neue Details

Laut Heeresinspekteur Mais soll künftig stets eine der drei geplanten schweren Brigaden für Litauen „reserviert“ sein. Ab Oktober 2023 die Panzerbrigade 12, ab Oktober 2024 die Panzerlehrbrigade 9 und ab Oktober 2025 die Panzergrenadierbrigade 37 – im Oktober 2026 soll dann die Rotation wieder von vorne beginnen. Anders als noch im Zielbild Heer vom August 2022 mit seinen festen Zuordnungen vorgesehen, sollen laut Mais für den Übergang erst einmal die beiden nicht in Litauen gebundenen Brigaden den Kern der Division 2025 stellen. Um den ambitionierten Zeitplan einhalten zu können, sollen sie in abgespeckter Form augenscheinlich zunächst einmal ohne die vorgesehene mittlere Brigade auskommen: „Die Division 2025 soll gemäß unserer Einmeldung bei der NATO IOC (Initial Operational Capability, Anfangsbefähigung) 2025 sein, FOC (Full Operational Capability) zwei Jahre später. Dann soll auch eine dritte, mittlere Brigade stehen.“

Diese mittlere Brigade – auch hier weichen die Angaben des Heeresinspekteurs etwas von dem ab, was im August berichtet wurde – soll die 21. Panzerbrigade und nicht mehr die Deutsch-französische Brigade sein. Insgesamt sollen bis 2027 also erst einmal „nur“ vier kaltstartfähige – also unmittelbar einsetzbare – Brigaden, „drei schwere eine mittlere“ zur Verfügung stehen und auch die gesamte Struktur damit augenscheinlich erst über die Zeit an das Zielbild Heer angeglichen werden.

Der Grund liegt in den immensen materiellen wie personellen Herausforderungen, vor denen die Bundeswehr durch die zeitliche Vorverlegung nun noch einmal in verschärfter Form steht – Mais spricht von einem „rapiden Anstieg der Auftragslast“ infolge der neuen Zusagen im Rahmen des neuen NATO-Streitkräftemodells. Gleichzeitig lässt er keine Zweifel aufkommen, wie tiefgreifend die aktuellen Umbauprozesse sind: „Von 130 Strukturelementen des Heeres sind rund 120 betroffen. […] Zum Beitrag des Heeres: Das war bislang periodisch […] Jetzt sind wir bei anderen Größenordnungen, sprechen über permanente Verfügbarkeit von Brigaden und Divisionen. Vom Umfang her Verdreifachen wir die Kräftebindung der Landstreitkräfte, gehen aus der periodischen in eine kontinuierliche Bereitschaft über.“